Ahnungslos durch die Stadt

Wie Verkehrswende nicht geht, zeigt aktuell die Stadt Augsburg.

  09.01.2020 | 5 Minuten  

Die Stadt Augsburg senkt den Preis für Busfahrten innerhalb der City-Zone auf null. Das gibt Rätsel auf. Denn ÖPNV-Tarife lassen sich zwar mit den Themen Klimanotstand und Verkehrswende verknüpfen. Ein Aktionismus Augsburger’scher Couleur dürfte aber kaum zur tatsächlichen Besserung beitragen.

Kleinster gemeinsamer Nenner?

Zunächst regt sich Zweifel ob der Wahl des Versuchsgebietes. Haben öffentliche Verwaltungen und Institutionen die Zielgruppenanalyse in den vergangenen Jahren auf die Spitze getrieben, dabei das Instrument meist aber völlig missverstanden, scheint hier eine entsprechende Überlegung gänzlich zu fehlen. Welche Verkehre bewegen sich denn ausschließlich innerhalb der City und fallen damit unter die Preisbefreiung? Sicherlich nicht die Einkaufsverkehre im Pkw, die von außen kommen, und erst recht nicht die noch einmal plus 30 Prozent Verkehre im Pkw, die durch die Parksuche entstehen. Wer bereits im Auto sitzt, wird es nicht deshalb stehen lassen, weil zwischen den letzten beiden Haltestellen das Busfahren kostenlos ist. Abgesehen davon wissen wir aus verschiedenen Befragungen, dass der Preis als Argument für den ÖPNV weniger stark zieht als beispielsweise die Servicequalität. Sollten die Verkehrsbetriebe in der schwäbischen Großstadt also auf dem für Deutschland üblichen und bedauernswert geringen Niveau operieren, hilft auch der Preiskampf nicht weiter.

Sie machen es darüber hinaus dem Fahrgast nicht leichter, sondern schwerer, das Tarif-Dickicht zu durchdringen — das vermitteln allein schon die umfangreichen Erläuterungen auf der entsprechenden Webseite. Im Zuge der Aktion erweitert sich der Radius von Kurzstrecken-Tickets, allerdings nur »in vielen Fällen.« Fahrgäste, die die City-Zone durchqueren, erhalten einen anderen Fahrpreis als solche, die dort starten oder ihre Fahrt dort beenden. Wtf? Im Jahr 2020 ist der Öffentliche Personennahverkehr noch immer nicht in der Lage, mit leichtem Zugang zu punkten. Schließlich und vor allem liegt der Aktion wieder einmal der hierzulande beinahe als Religion gefeierte Irrtum zugrunde, die Verkehrswende käme ohne eine Beschneidung des Kraftverkehrs aus. Selbstverständlich sollen die Menschen die freie Wahl haben. Die wird ihnen aber nicht geboten, denn das Automobil erhält in allen Belangen Vorfahrt. Den ÖPNV nur ein bisschen besser zu machen, um nennenswerte Veränderungen herbeizuführen, darf getrost als naive Augenwischerei bezeichnet werden.

»… alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert«

Wieder einmal keine Spur von starken Produkten, einfachen Tarifen, einem dichten Haltestellennetz und Waffengleichheit zwischen den Verkehrsmitteln. Es drängt der Verdacht sich auf, dass die Stadtspitze hier zwar mittels Aktionismus den öffentlichen Druck durch die Klimawandel-Diskussion mindern wollte, dass sie sich aber gleichzeitig einmal mehr gefangen nehmen ließ von ihrer pathologischen Angst vor profunder Veränderung. Alibis werden das Klima nicht retten und sie bieten, wie wir hier sehen, nicht einmal echte Mobilität.