Leben teilen statt nur Geräte

Urbanes Carsharing spielt in einem größeren Markt, kann aber die Hürde Anonymität nie richtig überwinden. Hier liegt das Potenzial ländlicher Angebote.

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Entgegen eines weit verbreiteten Irrtums unterliegt Mobilitätsverhalten keineswegs der rationalen Abwägung, sondern im Gegenteil — wie übrigens mehr als 99 Prozent aller Alltagsentscheidungen — der Intuition. Wer sich jedes Mal neu die Frage stellt, welches Verkehrsmittel sich für einen bevorstehenden Weg am besten eignete, der muss vier Mal so viel mentale Energie aufbringen, als wenn er ohne Nachdenken so handelt wie üblich. Gewohnheiten beziehen aus diesem Umstand ihre große Macht und lassen sich deshalb grundsätzlich nur schwer reprogrammieren.

Carsharing als Plus

Die Prospect-Theorie geht davon aus, dass eine alternative Verhaltensweise mindestens doppelt so hohen Lohn versprechen müsse, denn das alte Verhalten beizubehalten, lohnt durch seine energiesparende Wirkung schon per se. Die Entscheidung, für einen bevorstehenden Weg das eigene Automobil zu nutzen, erfordert nun beinahe keinerlei Energie, denn mehr als jedes andere Verkehrsmittel garantiert es einen maximalen Nutzen: jederzeit verfügbar , leicht handhabbar, vollständig kontrollierbar, unteilbar. Carsharing kann nur einen dieser vier Vorzüge bieten und das eigene Automobil deshalb in keinem Fall ersetzen, erst recht nicht in dünn besiedelten und deshalb marktschwachen ländlichen Regionen. Aber es kann sehr wohl als Upgrade fungieren und hilft damit die Effizienz im Gesamtsystem zu steigern.

Das Stichwort lautet ›amplifying business‹: Carsharing muss den Eindruck erwecken, eine leicht zugängliche, vorteilhafte und günstige Ergänzung zum eigenen Auto zu bieten und damit das Leben der Nutzer*innen zu verbessern. Das Prinzip des Carsharing bleibt für solche konkreten Botschaften allerdings viel zu abstrakt. Kommunikation für das Carsharing muss deshalb akribische Detailarbeit leisten und ein Set aus ganz konkreten Anwendungsfällen erarbeiten, in denen die Nutzung eines Carsharing-Fahrzeugs der Fahrt im eigenen Automobil oder mit anderen Verkehrsmitteln deutlich überlegen ist: ob nun für den Einkauf sperriger oder stark schmutzender Waren, für die Familienfahrt in die Natur mit der Garantie für matschige Schuhe oder für die Fahrt zur Arbeit gemeinsam mit Kollegen, denen man im eigenen Auto eher keinen Sitzplatz anböte.

Zufriedene Kund*innen

Marketing mithilfe von Emotionen beeinflusst den Affekt. Das erweist sich in der Gestalt von Likes auf sozialen Medien zwar als nützlich. Für Motivation und Verhalten sind allerdings ganz andere Hirnteile verantwortlich. Kommunikation für das Carsharing in ländlichen Regionen sollte daher statt des Liking viel mehr das Wanting in den Fokus rücken. Getreu dem Motto »Ich will, was die anderen auch haben« sollte es deshalb zuallererst bei den Mitmenschen als wirksamsten Verkaufsargumenten ansetzen. Verschiedene, empirisch belegte Modelle und Theorien wie das Lernen am Modell und die soziale Bewährtheit geben dafür reichlich Orientierung. Kein Produkt ist so sexy wie eines, das von vielen Menschen weithin sichtbar für sexy gehalten wird.

spitzenkraft.berlin entwickelt gemeinsam mit raumkom aus Trier ein Marketingkonzept, um das Angebot ›Carsharing im ländlichen Raum‹ als gute Nachricht in acht Gemeindepartnerschaften zu platzieren, die mithilfe der Organisation Zukunftsnetz Mobilität Nordrhein-Westfalen genau das einführen und erfolgreich machen wollen. Wo Ballungsgebiete eine höhere Dichte und damit — zumindest per Annahme — einen größeren Markt bieten, können rurale Gebiete mit Vertrautheit und maximaler sozialer Einbettung punkten.