Nichts geht über valide Messwerte

Wer nicht fragt, bleibt dumm. Aber nur, wer richtig fragt, erhält auch belastbare Ergebnisse. Etwa über den Radverkehr.

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Fahrradklima-Test, Copenhagenize-Index, psychologische Motivationsanalyse, Radfahrtypologie: Sie alle verfolgen, dem eigenen Bekunden nach, nur allerbesten Absichten, nämlich das Radfahren zu verbessern. Dabei muten sie sich und ihren Proband*innen allerdings regelmäßig zu viel auf einmal zu: Sie vermischen abhängige und unabhängige Variablen miteinander, werfen Faktoren, die zu verschiedenen Zeitpunkten Einfluss ausüben, in einen gemeinsamen Topf oder verquirlen gar Verkehrspolitik, Mobilitäts-Erlebnisse und persönliche Einstellungen miteinander.

Schöne Grüße von der Datenhalde

Dazu kommen methodische Schwächen, etwa wenn die Antwortmöglichkeiten solcher Befragungen jeweils mehrere Dimensionen enthalten, die zwei Enden einer Skala eben nicht das genaue Gegenteil zueinander bilden oder einzelne Fragen die Teilmenge einer weiteren Frage abbilden, die aber trotzdem noch mal auftaucht. Abgesehen von dem sehr abenteuerlichen Bestreben, völlig unterschiedliche Sachverhalte am Ende in einen einzelnen Index pressen zu wollen — Wie lassen sich Verhaltens- (Radverkehrsanteil, Geschlechter-Gewichte), Emotions- (Sicherheitsgefühl), Einstellungs- (politisches Klima), Handlungs- (Maßnahmen der Stadt- und Verkehrsplanung) und schließlich Hardware-Indikatoren (Radverkehrsanlagen) miteinander verrechnen, und zwar plausibel und valide? —, fehlt es all diesen Instrumenten an einem konsolidierten Modell. Die Auswahl der zu verrechnenden Indikatoren unterliegt dabei jeweils der Vorstellung der Befragenden vom Radverkehr; daneben erreichen solche Tests grundsätzlich keine feinkörnigere Auflösung als die gesamte Gemeinde. Die Folge: invalide Daten, deren Aussagekraft bestenfalls die Güte von politischen Forderungen erreicht und höchstens spekulative Vorhersagen ermöglicht.

Dabei bietet das Radfahren selbst ein konsistentes Modell quasi frei Haus. Es lässt sich in einzelne Episoden fassen, deren vergleichbare Phasen — aktivieren, starten, fahren, anhalten und deaktivieren — eine maximal standardisierte Erfassung zulassen: entweder in Form des explorativen Experience Mapping oder als Hypothesen prüfende quantitative Methode, etwa als Messverfahren der Widerstände gegen das Radfahren. Das Vélometer generiert verortbare Ergebnisse — auf Wunsch bis hinunter auf die Ebene des Straßenabschnittes — und lässt, regelmäßig wiederholt, als Zeitreihe sogar Schlussfolgerungen zu Trends und Entwicklungen zu.

Bitte konzentrieren!

Grundsätzlich bleibt das Vélometer aber ganz nah am Gegenstand. Aussagen über die Handlungen anderer — beispielsweise ob die Radverkehrsanlagen gut in Schuss gehalten werden oder ob die Verwaltung in letzter Zeit ausreichend Abstellbügel errichtet hat — genauso wie das Wissen über spezielle Gegebenheiten — beispielsweise in wie vielen Einbahnstraßen die Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben ist — bringen niemanden weiter, denn die nehmen die Befragten bestenfalls selektiv, wenn nicht gar völlig verzerrt wahr. Als Ergebnis entsteht ein Bild darüber, welche Aspekte des Radfahrens mit Widerständen behaftet sind. Über die Motive der Nichtbefragten lassen sich dann immer noch nur Vermutungen anstellen. Aber zumindest die These, dass ein Abbau der Widerstände auch weitere Menschen tendenziell eher in den Sattel locken könnte, lässt sich dann ohne gravierendes schlechtes Gewissen formulieren.