Weshalb aus zwei halbgaren Unternehmungen auch dann keine Erfolgsgeschichte wird, wenn man sie mixt.
02.03.2021 | 6 Minuten
Was haben Mäuse und Fische gemeinsam? So gut wie nichts. Deshalb würde auch niemand auf die Idee kommen, sie gemeinsam in ein und demselben Eintrag in einem Lexikon zu beschreiben, sie als Tierpärchen gemeinsam zu verkaufen oder ein Artenschutz-Programm aufzulegen, das mit einer einzigen Strategie bei beiden Arten gleichzeitig ansetzt. Diverse öffentliche Verwaltungen sehen aber schon seit mehreren Jahren überhaupt kein Problem darin, in der Radverkehrs- und in der Fußverkehrsförderung genau so vorzugehen.
Nicht mehr als heiße Luft
Während die institutionelle Radverkehrsförderung hierzulande bereits mehrere Jahrzehnte lang Erfahrung hätte sammeln können — was sich im Status Quo des Radverkehrs allerdings nicht annähernd widerspiegelt —, erhält das Zufußgehen erst seit rund fünf Jahren ein immer größeres politisches Gewicht; zumindest dem Anschein nach. Denn der vollmundigen Lobeshymne, wie elementar wichtig der Fußverkehr sei, insbesondere als Grundbaustein aller Wegeketten, sogar derjenigen, die dann methodisch falsch und selbstverständlich mit interessengeleitetem Hintersinn voll und ganz für das Automobil verbucht werden, folgt aus denselben Motiven heraus in keinem Fall eine angemessene Mittelausstattung. Um genau die nicht mitliefern zu müssen, verfielen die Verantwortlichen auf eine billige Hütchenspielerei: Wir schrauben ganz einfach zwei Wrackteile zusammen und deklarieren sie als Mondrakete.
Ob nun als ›Nahmobilität‹, als ›Aktivmobilität‹ oder als ›Langsamverkehr‹: Immer mehr politische Agenden bringen zusammen, was gar nicht zusammengehört. Jenseits des ergaunerten Bedeutungsgewinns drängt sich auch ein Geschmäckle von Problemflucht auf. Genauso laut wie die Aufgebote zur Vermählung der beiden Kontrahenten um öffentliche Fläche erklingen nämlich auch die anschließenden Klagen über zunehmende familiäre Gewalt. Doch in der Realität unterbleibt nun einmal keine einzige Verfehlung im Straßenverkehr, nur weil irgend ein Spin Doctor sich für so clever hielt, zu behaupten, Radfahrende und Zufußgehende gehörten schließlich zur selben Gemeinde.
Kein Rückgrat, nirgends
Was Mäuse und Fische einerseits und Rad- und Fußverkehr andererseits tatsächlich eint, ist die Furcht vor jeweils demselben Prädator. Das aber verrät, wes Geistes Kind solche belanglosen Konstrukte wie ›Nahmobilität‹ tatsächlich sind. Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als um die zusammengekehrten Reste des automobilen Regimes, das seine totale Herrschaft sogar im Denken und Sprechen derjenigen ausübt, die sich davon unabhängig behaupten, aber schon die geringsten Konsequenzen scheuen. Echte und ernstzunehmende Fußverkehrsförderung müsste wie ein Löwe um jeden Zentimeter Bewegungsfläche kämpfen, echte und ernstzunehmende Radverkehrsförderung genauso — und zwar beide für sich gegen den motorisierten Individualverkehr. Stattdessen titelt jedes zweite Interview, genau darum ginge es nicht.
Doch während das Personal der Zoohandlungen sich selbst und gegenseitig in einem fort auf die Schultern klopft ob seiner Genialität, die Maus mit ins Aquarium und den Fisch mit ins Terrarium zu setzen und diese Kombinationen als Innovation zu verkaufen, tritt die Kundschaft reihenweise den Rückzug an. »Der Fahrradanteil liegt 2017 wieder auf demselben Niveau wie 1982«, stellt die Studie ›Mobilität in Deutschland‹ fest; von 2002 bis 2017 nahm die Menge an Wegen zu Fuß bundesweit um 13 Prozent ab. Im gleichen Zeitraum wuchs der Verkehrsaufwand im MIV (nur Fahrer!) um jährlich rund 94 Milliarden Personenkilometer. Mögen die Verantwortlichen mit sich selbst darüber ins Gericht gehen, ob sie eine Resterampe tatsächlich und völlig naiv für eine Startrampe halten, oder ob sie gar nicht die Absicht verfolgten, den Status Quo zu verändern. Mithilfe von billigen Taschenspielerstricks lässt die Verkehrswende sich jedenfalls nicht erreichen.