Ein smarter erster Schritt

Weshalb wartet der Klimaschutz erst auf den großen Wurf? Das Potenzial zur Effizienz liegt längst auf der Straße.

  19.07.2019 | 6 Minuten  

Das Klimakabinett soll es richten. Oder wahlweise auch die Europäische Union. Jedenfalls irgendwer anderes. Die Verbraucher müssen ebenfalls gerne einmal herhalten als Adressaten für allerlei moralische Belehrungen, doch bitte endlich ihren gesamten Lebensstil vollständig auf nachhaltig zu krempeln. Welche Effekte die Kampagnen-, Steuer- oder Zertifikatehandelsvorschläge dieser unserer Tage wirklich zeitigen könnten, weiß ohnehin niemand. Gefangen im ratlosen Nichtstun.

Von hinten durch die Brust …

Mal etwas ganz anderes: Was wäre, wenn wir probeweise das Falschparker-Management zur CO2-Sparmaßnahme erklärten? Stellen wir uns nur einmal vor, wir erreichten damit ähnliche Quoten wie Berlin: 6.500 Falschparker an fünf Tagen — bundesweit ergäbe das rund 148.000 Knöllchen innerhalb eines genauso langen Zeitraum. Wenn die dann auch noch saftig ausfallen, weil wir zuvor die Bußgelder nicht nur in kosmetischer Dosis, sondern nennenswert erhöht haben, verlieren die Betroffenen jegliche Lust am Falschparken. Aber auch generell am Autofahren, denn die nichtfalschen Parkmöglichkeiten platzen schon jetzt aus allen Nähten. Schon nach nur zwölf Wochen hätten wir annähernd 2,5 Millionen Menschen das Autofahren verleidet, beinahe 40 Millionen Personenkilometer eingespart — und damit unsere Atmosphäre auf einen Schlag vor weiteren, sage und schreibe, fünf Millionen Tonnen CO2 bewahrt. Innerhalb eines Jahres könnte die Ersparnis laut unserer Milchmädchenrechnung auf 21 Millionen Tonnen CO2 anwachsen.

Es handelt sich bei diesem Gedankenspiel keineswegs um eine Satire, sondern um reales Potenzial, und zwar in beiderlei Hinsicht. Sowohl der Klimaschutz als auch das Verkehrsgeschehen als solches könnten durch eine stringente und konsequente Sanktionierung von Falschparkern ausschließlich gewinnen. Dabei sprechen wir noch gar nicht von den entlastenden Effekten für Wohngebiete und Geschäftsstraßen, von der Lärm- und Feinstaubminderung und von der Re-Attraktivierung des Straßenraums. Falschparker-Management könnte letzten Endes sogar Fahrverbote verhindern. Die Praxis sieht indes anders aus: Leider beteiligen Bund, Länder und Gemeinden sich durch die Stützung des Status Quo unrechtsverschärfend an einem Un-Zustand, dessen Folgen sich durch Steuern oder Zertifikate dann auch nicht mehr korrigieren lassen. Auf die Spitze treibt das im Augenblick das Land Niedersachsen, das sich doch tatsächlich nicht entblödet, den folgenden Hinweis auf seine Webseite zu schreiben: »[Eine breite Beachtung der Verkehrsregeln] wird auch mit Maßnahmen der Verkehrsüberwachung unterstützt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr zu leisten, anstatt Verstöße massenhaft und unreflektiert gegenüber ihrer Bedeutung für die Verkehrssicherheit zu ahnden.«

… mitten hinein ins Auge

Mal ganz davon abgesehen, dass 1.) jeder Verstoß nach geltender Rechtslage nun einmal eben ein Verstoß ist und deshalb allein schon ahndungswürdig und 2.) das Straßenverkehrsrecht Verstöße nicht nach Gusto bestimmt, sondern weil die zu ahndenden Sachverhalte die Verkehrssicherheit gefährden, fehlt bei allen Beteiligten bislang jegliches Verständnis für die größeren Zusammenhänge. Aber stimmt, was hat Falschparken schon mit Klimaschutz zu tun?

Übrigens: Das Falschparker-Management bildet eine hochgradig sozial gerechte Maßnahme; die Duldung von Falschparkern dagegen keineswegs. Im Gegensatz zu aufwändigen neuen Gesetzeskonstrukten und Handhabungsmechanismen braucht es dafür außerdem lediglich mehr Einsatz in einer ohnehin zu erledigenden Aufgabe. Und schließlich eignet sich eine solche Offensive hervorragend als Testfeld: Verhilft sie wider Erwarten doch nicht zu nennenswerten CO2-Einsparungen, wirkt sie trotzdem verbessernd auf den Straßenverkehr. Smarter geht es nicht.