Ein Sprungbrett für die Tat

Wie der Kapitalismus letztendlich doch die Welt retten kann

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Zusammenschlüsse für die gute Sache, ob nun für den Klimaschutz, für nachhaltige Mobilität oder ähnliches, geraten schnell in die Gefahr, zum Spiegelkabinett zu verkommen. Dann zählt nur noch, was die Mitglieder von sich selbst und voneinander halten; der Abgleich mit der Realität findet immer seltener statt, externe Impulse müssen durch einen Gefälligkeitsfilter. Solches Gruppendenken führt nicht selten auch zu fragwürdigen Rechtfertigungen für nicht annähernd erreichte Ziele. Eugen Roths Sprungbrett lässt grüßen: »Denn, wenn auch scheinbar nur entschlossen, hat er doch sehr viel Ruhm genossen. Genau genommen schon den meisten — was sollt er da erst noch was leisten?«

In der Gruppe liegt die Kraft

Die Wirtschaftswelt hat längst erkannt, dass allein der gute Wille oder die reine Absichtsbekundung keinen Umsatz einbringen. Findige Geister ersannen deshalb die Plattform-Ökonomie: Wenn viele Produzenten und viele Konsumenten sich zusammenschließen, profitieren alle: die Produzenten von einem großen Absatzmarkt, die Konsumenten von einer großen Produktvielfalt; Win-Win-Win-Situationen — das dritte verbucht die Plattform für sich, in Form von Prominenz und Provisionen — am Fließband. Dieses Erfolgsrezept bleibt in der Szene der umweltbewegten Gutmenschen allerdings bis heute unentdeckt, obwohl es so einfach einzusetzen wäre: Wir deuten den Umsatz ganz simpel um in reale Handlungen, die zu messbaren Verbesserungen im Sinne des Ziels führen. Klimaschutz beispielsweise, das weiß jedes Kind, geschieht nicht, solange wir ihn nur nach Lust und Laune betreiben oder weil jemand an unser Gewissen appelliert. Wo wir aber soziale Anerkennung und Selbstwirksamkeit erfahren, da durchbrechen wir auch unsere Gewohnheiten und legen uns neue zu.

Die Kampagne beispielsweise, als nach wie vor beliebtestes politisches Mittel der Glanzbeschaffung, sorgt zwar für den Informationstransfer, echte Teilnahme und Beteiligung erzeugt sie aber nur in der Fantasie einiger realitätsferner Elfenbeintürmler*innen. Das Plattform-Prinzip ist ihr in mindestens vier weitere Punkten überlegen:

  • Eine Plattform durchbricht die Anonymität. Sie stellt zwischen den Teilnehmenden soziale Zusammenhänge her, ermöglicht Feedback und damit soziale Anerkennung und schafft in letzter Konsequenz sogar eine Community. Damit entwickelt sie eine viel größere Zugkraft als jeder Appell, denn: »Wir sind Gruppen-Evolutionierer, die Gruppen sind wichtig für uns und daran müssen wir uns anpassen. Wir beziehen unsere Urteile immer auf die Gruppe«, sagt der Neuropsychologe Professor Lutz Jäncke.
  • Eine Plattform ermöglicht das Lernen am realen Modell. Verhalten zu verändern, bedeutet nichts anderes als neues Verhalten zu erlernen. Die leichteste Methode besteht darin, das neue Verhalten bei anderen Menschen abzuschauen. »Der Mensch ist besser im Imitieren als jede andere Spezies. Er lernt eher von anderen.«, sagt die Hirnforscherin Franca Parianen. Mehr als jedes andere Format bietet eine Plattform beispielsweise die perfekte Bühne für Erfolgsgeschichten aus der Mitte der Teilnehmenden.
  • Eine Plattform adressiert nicht das Liking, sondern das Wanting. Im Gegensatz zur Kampagne, die beim Publikum nach einem schnellen Affekt genauso schnell wieder in Vergessenheit gerät, bindet das Wanting insbesondere diejenigen Hirnregionen mit ein, die für das Lernen zuständig sind.
  • Eine Plattform funktioniert hervorragend als Dach für zeitlich oder räumlich begrenzte Elemente, etwa Kampagnen oder Aktionen. Die einzelnen Formate zahlen aber jeweils auf die Plattform ein und stärken deren Identität. Die Aktivitäten der Plattform lassen sich dadurch dynamisch skalieren, beispielweise je nach Größe der Community, nach saisonalen Trends oder beispielsweise nach der budgetären Ausstattung, ohne dabei an Kohärenz einzubüßen.

Zeitalter der Tat

Zusammenschlüsse für die gute Sache sind gut beraten, ihre Erfolgsmessung zu überprüfen und in der Konsequenz von den gestrigen Rezepten endlich abzulassen. Lediglich die Aufnahme neuer Mitglieder zu zelebrieren und sich dafür selbst zu feiern, geht am Handlungsbedarf weit vorbei. Die Potenziale der Plattform-Ökologie sind umgekehrt noch gar nicht abschließend beschrieben. spitzenkraft.berlin vertieft und verfeinert das Modell weiter und bietet damit eine wirksame Alternative zur zahnlosen Vereinsmeierei.