Wir wünschen angenehme Reise!

Die Förderung des Radverkehrs tritt in Deutschland eindrucksvoll auf der Stelle. Nur das Radfahr-Erlebnis als zentrale Variable kann signifikante Unterschiede bewirken.

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»The second hardest thing about minimum viable products is that while you decide what’s minimum, the customers determine if it is viable.«, lautete vor nicht allzu langer Zeit ein Tweet. Und tatsächlich: Die Radverkehrsplanung kann ein Lied davon singen, dass Radverkehrsanlagen regelmäßig nicht genutzt werden — weil die Nutzer*innen sie ganz einfach für nicht brauchbar befinden. Daraus resultieren nennenswerte Beträge verschwendeten öffentlichen Geldes; »gewohnheitsprägendes Design« gar liegt Welten entfernt. Das aber lässt sich ganz leicht erklären: Aktuelle Radverkehrsförderung betrachtet ihre Aufgaben ganz einfach nicht vom Gegenstand her, geschweige denn vom Ergebnis. Wer Radverkehrsanlagen baut, tut dies, um wenigstens irgendetwas getan zu haben. Schon die vielen Mängel und Systembrüche, beispielsweise im Nichts endende Radwege, fehlende Abstellanlagen oder unüberwindbare Blechlawinen, die den Zugang zum eigenen Haus verhindern, künden eindrucksvoll davon, wie wenig solche Maßnahmen bis zum Ende gedacht sind.

Das Erlebnis ist alles

Was auf den ersten Blick aber ›nur‹ als vermurkste User Experience daherkommt, gibt gerade bei der Beeinflussung von Mobilitätsverhalten den Ausschlag zwischen Erfolg und Scheitern. Längst haben die persönlichen Einstellungen sich als Prädiktoren für die Verkehrsmittelwahl disqualifiziert, sind die Mobilitätsstiltypen im flüchtigen Rauch der Irrelevanz aufgegangen und können die Emotionen sich nicht vom Verdacht befreien, zwar für den Affekt, aber nicht für die Gewohnheit zuständig zu sein. Fahren seit dem Jahr 2002 bundesweit fünf Millionen Menschen weniger mindestens ein Mal die Woche Fahrrad, weil sie das nicht mehr so cool finden wie vorher? Oder liegt die Antwort nicht vielleicht darin, dass das Radfahren in Deutschland immer ungemütlicher wird? Der exzessiv zunehmende Kraftverkehr, die wild wuchernde Schwarzparker-Epidemie, lückenhafte Netze und beschädigte oder gar untaugliche Infrastruktur dürften daran beträchtlichen Anteil haben.

»Der Fahrradanteil liegt 2017 auf demselben Niveau wie 1982.«, heißt es bei Mobilität in Deutschland. Wir ernten damit das Ergebnis des fortgesetzten Wahns, das Radfahren auf normierten Anlagen einkerkern zu wollen. Das bewirkt nicht nur ein Positiv-Paradox, also die klare Ansage an alle Radfahrenden, wo überall sie eben nichts zu suchen haben. Es lädt auch den Kraftverkehr zu ungeniertem Drängeln ein.

Gegen den Widerstand

In seiner jüngsten Broschüre ›So geht Verkehrswende‹ begeht der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. einmal mehr den Fehler, für seine eigene Millimetergläubigkeit den Mythos von den verschiedenen Persönlichkeitstypen der Radfahrenden wiederzubeleben und ihn mit — für sich genommen eigentlich nützlichen — Erkenntnissen aus der US-amerikanischen Stressforschung zu legitimieren. Doch erst der Perspektivwechsel, weg vom technokratischen Anlagenbau und hin zum dynamischen Management komfortabler Nutzenerlebnisse, wird die Radverkehrsförderung tatsächlich voranbringen. Das Cycling Experience Design erhebt das Radfahr-Erlebnis zum zentralen Gegenstand. Es fischt nicht im trüben Tümpel möglicher Maßnahmen, deren Effekte sich doch nicht abschätzen lassen, sondern es forscht gezielt nach den Widerständen, die das Radfahren verleiden, und baut sie ab. Anhand einer standardisierten Radfahr-Episode betrachtet es den ganzen Weg, statt sich lediglich mit unzusammenhängenden Teilen zufrieden zu geben.

Mobilitätskompetenz entsteht durch eigene Bewegung. Wo aber die Umwelt permanent das Radfahren gängelt, einsperrt oder gar verhindert, weil sie ihm maximale Unannehmlichkeiten beschert, da kann es sich auch nicht als Erfolg versprechende Routine im Set der menschlichen Verhaltensweisen etablieren. Der Autofahrt lassen wir hierzulande seit vielen Jahrzehnten maximal günstige, komfortable und leichte Bedingungen angedeihen. Durch das Cycling Experience Design kann das Radfahren endlich aufholen.